Ich möchte mich dem Begriff Begeisterung zuerst einmal von der sprachlichen Seite nähern. Im Duden findet man eine Fülle von Synonymen.
Eifer, Ekstase, Elan, Entzücken, Feuer, Freude, freudige Erregung, Gefühlsüberschwang, Hochstimmung, Leidenschaft, Leidenschaftlichkeit, Lust, Passion, Schwärmerei, Schwung, Tatendrang, Tatkraft, Taumel, Überschwang, Überschwänglichkeit, Verzücktheit, Verzückung, Glut, Inbrunst, Enthusiasmus
All diesen Begriffen ist eines gemein: die positive Energie. Und dies drückt auch die Definition (Duden) aus:
Zustand freudiger Erregung, leidenschaftlichen Eifers; von freudig erregter Zustimmung, leidenschaftlicher Anteilnahme getragener Tatendrang; Hochstimmung, Enthusiasmus
Selbstredend wirkt sich diese Energie auf die Motivation und das Engagement aus. Gerald Hüther wird zitiert mit dem Slogan "Begeisterung ist Doping für das Gehirn." Und wenn man bei Google Csikszentmihalyi und Flow eingibt, dann kann man bei Wikipedia folgendes lesen:
"Flow („Fließen, Rinnen, Strömen“) bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit, die wie von selbst vor sich geht."
Ich möchte noch ein weiteres Bild hinzufügen. Leidenschaft ist Öl im Motor. Alles läuft wie geschmiert und somit rund. Der Motor arbeitet mit Betriebstemperatur und schnurrt wie eine Katze. Es läuft - gefühlt - wie von selbst.
Man kann sich einem Begriff auch nähern, indem man das Gegenteil beschreibt. Das wäre dann Sand im Getriebe. Und dieser ständige Reibungsverlust führt auf Dauer zu einem Kolbenfresser und somit Stillstand.
Ein Mensch, der in seinem Leben wahrscheinlich vieles mit grosser Leidenschaft betrieben hat, ist André Stern. Das Buch, aus dem ich einige exemplarische Stellen zitieren möchte, findet sich auf meiner Bücherliste.
"Es kam vor, dass bestimmte Beschäftigungen so in den Vordergrund traten, dass sie für eine Weile nahezu ausschliesslich mein Leben bestimmten: das konnte einige Tage oder auch mehrere Monate, ja sogar Jahre dauern." (35)
"Da ich Herr meiner Zeit bin, kann ich bis zu sechs Stunden am Tag Musik hören und mehrere Biografien parallel lesen." (77)
"Wie alle meine Leidenschaften nahm mich auch die Passion für Proust nahezu vollständig ein und prägte alle Bereiche meines Lebens. – Ich las. Manchmal vertiefte ich mich in die Bücher gleich nach dem Aufwachen, unterbrach die Lektüre lediglich für die Mahlzeiten und setzte sie nachts im Bett mit der Taschenlampe fort. – Keine Planung, kein Programm, keine Meinung, kein Eingreifen unterbrach mein Lesen, störte meine Konzentration, dämpfte meinen Überschwang oder brachte mich von meinem Weg ab." (36, 37)
Wenn sich Stern also für ein Thema interessierte, dann beschäftigte er sich voll und ganz damit. Er tat dies mit enormem Tatendrang, mit vollem Eifer. Einen Grossteil der oben aufgeführten Synonyme findet man in der Autobiografie von Stern wieder. Und das Fazit nimmt er schon auf Seite 17 vorweg: "Ich war ein glückliches Kind voller Begeisterung."
Ernüchternd für uns Pädagogen ist der Titel seines Buches: "… und ich war nie in der Schule"
Ich wünsche es jedem Menschen, dass er so ein Hochgefühl schon mal erleben durfte. Insbesondere die Schülerinnen und Schüler profitieren enorm, wenn sie diese Glut und den Tatendrang spüren, denn das setzt sich nieder im Speicher der Lebenserfahrung (vgl. Extensionsgedächtnis, PSI-Theorie von Kuhl). So ein positives Gefühl möchte man wiederholen, und im Idealfall entsteht Lerneifer. Heraklit sagte schon: "Lehren heisst Feuer entfachen, und nicht, einen leeren Eimer füllen." Lernerfolge zu kreieren ist so viel einfacher mit Unterstützung durch Enthusiasmus - auf Seiten der Lernenden und der Lehrenden.
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