Quo vadis, Schule?
Non scholae sed vitae discimus – so wird dieses Sprichwort oft zitiert.
Klammerbemerkung: Eigentlich sagte Seneca (um Chr.) non vitae sed scholae discimus und drückte damit seine Unzufriedenheit mit dem Lebensbezug der Schule aus – ganz schön modern.
Die Schule soll also aufs Leben vorbereiten. Darüber herrscht heute grundsätzlich wohl Konsens. Aber wer kann ernsthaft voraussagen, welches Leben die neueintretenden Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer obligatorischen Schulzeit erwartet? Krankheit (Corona), Krieg, Klima und KI haben innert weniger Jahren viele Grenzen aufgezeigt – es wird nicht einfach ewig so weitergehen, es stehen Umbrüche bevor. Und deshalb muss die Schule Antworten finden und geben, wenn sie nach ihrem Sinn und Zweck gefragt wird. -Und es wird sehr viel darüber diskutiert und geschrieben.
Meiner Meinung nach wird es eine Verschiebung geben; weg vom Produkt (Wissen), hin zum Prozess (Können). Das #Lernen an sich rückt in den Fokus. Wer aber glaubt, dass Lernen in der Schule per se, quasi systemimmanent, stattfindet, der macht es sich zu einfach.
Lernen ist ein Tunwort, es ist mit Aktivitäten verbunden wie abschauen, nachmachen, begreifen, verstehen, üben, anwenden. Es gibt Strategien, die das Lernen vereinfachen. Lernen kann mal lernen – und hier steht die Schule in der Pflicht.
Dass man motiviert besser lernt, tönt nach einer Binsenwahrheit. Aber hinter dem Begriff #Lernmotivation tut sich eine grosse, facettenreiche Welt auf. Stichwörter sind Mindset, Selbstwirksamkeitserwartung, Selbstbestimmung, Sinn u.v.m. Ich habe diesem Thema in «meinem Buch» ein ganzes Kapitel gewidmet.
Lernen hat aber auch mit einer Haltung zu tun, deren Wichtigkeit mir erst in jüngster Vergangenheit bewusst wird: #Beharrlichkeit
„Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen“, sagt Giuseppe Mazzini (1805-72). Bob Marley besingt das gleiche Prinzip mit den Worten „you can get it, if you really want.“ Und der erfolgreiche Singer/Songwriter Ed Sheran erklärt in einem hörenswerten Interview, dass er als Jugendlicher ein schlechter Sänger war. Er wollte aber unbedingt ein guter und erfolgreicher Sänger werden, also hat er aus den Fehlern gelernt und verbissen geübt. Und genau hier liegen die beiden Ansatzpunkte, wenn man durch Lernen nicht nur gut sondern sehr gut oder gar exzellent werden will. «It’s not just the hours, it’s the kind of work done in those hours. […] Great achievers practice in the most deliberate and self-critical way. Often they break their craft down to ist smallest constituent parts, and then they work on one tiny piece oft he activity over and over again.» (David Brooks, the social animal) Man nennt dies deliberate practice.
Zurück zu Ed Sheran: Er rät sogar davon ab, einen Plan B zu haben – der verleite dazu, zu früh aufzugeben. Und hier liegt doch der Punkt. Kann ich mit Kritik umgehen? Kann ich Rückschläge verkraften? Sind Fehler für mich Lerngelegenheiten? Habe ich Geduld? Bleibe ich beharrlich dran? Oder auf neudeutsch: habe ich „Grit“. (#Grit ist ein Begriff aus der Positiven Psychologie, der umschreibt "wie ein Individuum seine Ziele mit Motivation, Ausdauer, und Begeisterung bzw. mit Beharrlichkeit über einen langen Zeitraum verfolgt.
In unserer wenig bewussten Lebensphase als Babys waren wir alle sehr beharrlich und haben zB reden und laufen gelernt. Im Verlaufe der Zeit haben wir dieses unerschütterliche Weitermachen aber zunehmend verlernt. Was sind die Gründe? Einerseits gibt es so viele Alternativen: Wenn ich bei ersten Misserfolgen merke, dass ich so viel Zeit und Energie in die Sportart x investieren muss, dann probiere ich doch lieber die Sportart y oder ganz was anderes. Wenn das Archäologie-Studium doch etwas langweiliger ist als erwartet, dann beginne ich halt mit Soziologie… Und andererseits werden den Kindern zunehmend Lerngelegenheiten aus dem Weg geräumt (Stichwort Schneepflugeltern). Wenn Eltern ihre Kinder vor allem Unbill der Welt beschützen wollen, dann entspringt dies sicher einer guten Absicht. Aber man erweist den Kindern einen Bärendienst. Der Pädagoge Andreas Müller beschreibt dieses Phänomen in seinem Buch „Schonen schadet“. Man muss Tiefschläge einstecken, Herausforderungen meistern, Schwierigkeiten überwinden, Anstrengungen aushalten, harte Zeiten überstehen um zu lernen, dass man das geschafft und „überlebt“ hat. Aus diesen Erfolgen nährt sich die #Selbstwirksamkeitserwartung.
Wie geht man mit Schwierigkeiten um, und nicht wie umgeht man sie – das wäre das Gebot der Stunde.
Und hier schliesst sich der Kreis zum Anfang dieses Aufsatzes. Geht die Schule aktiv mit den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft um? Oder umgeht sie den Wandel weiterhin und bleibt standhaft bei dem Modell, das sich so sehr bewährt hat (allerdings im Zeitalter der Industrialisierung*)
Zum Thema Lernen und Lernmotivation habe ich je ein ganzes Dokument erstellt. Interessiert? Schreibe mir ein Email und ich sende dir die Artikel zu. (uwe.jungclaus@alumni.fhnw.ch)
In meinem Blog habe ich schon andere Beiträge zu dieser Thematik verfasst, zB
Interview mit Ed Sheeran, «Success happens from failing hundreds of times.»
Ken Robinson, changing education paradigms, * diesen Zusammenhang zeigt der blendend illustrierte und sehr empfehlenswerte Vortrag
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