Haeggar war früher Handballtrainer, Typ 'hart aber herzlich' (Kennst du noch die Serie gleichen Namens aus den 80ern?). Das 'hart' bezog sich auf die Übungen und vor allem die Wiederholungen. Es galt das Motto 'ohne Schweiss kein Preis', und deshalb machten seine Jungs unzählige Liegestütze und Rumpfbeugen, sie spurteten mit und ohne Ball durch die Halle, sie attackierten sich in der Verteidigung und warfen unzählige Male aufs Tor. Alles in allem sicher nicht immer angenehm.
Im Umgang war Haeggar aber herzlich - natürlich im Rahmen seiner bärbeissigen wortkargen Art. Natürlich waren ihm Fehler ein Greuel, aber er wusste, dass ein Zusammenschiss keine Verbesserung brachte. Und wenn seine Jungs im Spiel kaum Elemente angesagt hatten, in der Defense zu passiv waren und die Flügel das Tor nicht trafen - dann hat man das im nächsten Training geübt.
Haeggar ist aber auch Lehrer, und gilt als 'harter Hund'. Er gibt einen Eintrag, wenn der gute Test von Luisa von der Grossmutter und nicht der Mutter unterschrieben wurde. Er lässt Henk den Text nochmals abschreiben, den der wegen eines Armbruches mit links hingekraxelt hatte. Er gibt auch schlechte Noten mit stoischem Blick zurück und meint: "Neues Thema, neues Glück." Er lässt sich im Naturkundeunterricht nicht abspeisen mit inhaltlich richtigen aber falsch geschriebenen Wörtern wie Halig, Watwurm oder Tihde. Er behandelt alle gleich, das ist ihm wichtig.
Ich habe im letzten Blog über Salman Khan auch den Gedanken 'auf welcher Seite stehst du' hervorgehoben. Und seither ploppt der bei mir immer wieder auf.
Was ist denn der Unterschied zwischen den beiden 'Funktionsweisen' von Haeggar?
Zuerst mal das Gemeinsame. Er hat eine Gruppe Kinder vor oder um sich und möchte ihnen etwas beibringen. Er ist also der Experte. Dabei verlangt er von seinen Schützlingen oftmals Sachen, die denen nicht unbedingt Spass machen. Zudem gibt es eine klare Hierarchie.
Aber der Trainer Haeggar wird geliebt. Seine Jungs nennen ihn Coach. Der Lehrer Haeggar wird respektiert (gefürchtet?), aber...
Was ist also der Unterschied?
Ganz offensichtlich: Die Jungs kommen freiwillig ins Training - die Kinder müssen in die Schule.
Auch noch auf der Hand liegend: die Handballer haben gemeinsame Ziele (ihre geliebte Sportart, Kollegen mit dem gleichen Hobby, besser werden und öfter gewinnen) - die Schulkinder eher weniger (etwas lernen oder Sozialkontakte pflegen oder Eltern mit Fleiss und guten Noten erfreuen oder Turnen-Werken-Pause geniessen und den Rest aushalten...)
Und jetzt kommt die Frage, die sich mir erst seit der Lektüre von Khan immer wieder stellt. Auf welcher Seite steht er? Ich meine dies hier vor allem aus Sicht der Lernenden. (Man kann sich diese Frage aber sicher auch selbstreflektorisch stellen.)
Coach Haeggar stellt zu 100% auf der Seite seiner Jungs. Er will jeden einzelnen und die ganze Truppe besser machen. Wenn Julius den Kernwurf nicht beherrscht, dann wird der weiterhin geübt. Wenn das Element '3-1' nicht klappt, dann wird das trainiert bis es klappt. Wenn der Einzelne besser wird, profitieren alle. Wenn das Kollektiv erfolgreich ist, profitiert der Einzelne. Stärken stärken.
Fühlen sich Lehrer und Schüler*innen vereint im Streben nach Können und Wissen? Erlebt Knut den Lehrer Haeggar als Person, die sich voll dafür einsetzt, dass sich Knut entwickelt? Sind Haeggar und seine Schülerschar auf einer gemeinsamen Mission?
Kann, darf, soll oder muss eine Lehrperson (auch) Coach sein?
Ist der obige Vergleich nicht korrekt, weil in der Schule Lehrpläne, Lehrmittel, Prüfungen, Selektion und Promotion den Takt angeben?
Unbedingt soll eine Lehrperson auch Coach sein!
Und ja, ich denke, dass Lehrpläne, Lehrmittel, Prüfungen, Selektion und Promotion dem individuellen Lernen oft auch im Weg stehen können.